Studieren heute:
Klischee und Realität

Mittags aufstehen, nachmittags mal kurz auf einen Kaffee an die Uni, dann vielleicht ein bisschen in der Bibliothek rumhängen und abends Bier trinken bis zur Polizeistunde – dieses Klischee über das Studentenleben hält sich lange, auch wenn sich die Realität immer weiter davon entfernt.

„Wenn meine Eltern von ihrem Studium erzählen, dann hör ich fast nur das Wort „Kneipe“, erzählt Tom im zweiten Semester Wirtschaftswissenschaft ungläubig. Sein Studentenleben ist weit weniger entspannt und damit entspricht er dem Durchschnitt: Der überwiegende Teil der Studierenden arbeitet täglich circa fünf Stunden in der Hochschule. Dort verbringen sie weniger Zeit in der Cafeteria, sondern sie hören Vorlesungen oder besuchen Seminare, sie arbeiten in der Bibliothek oder treffen sich in einer Gruppe, um gemeinsam zu lernen oder zu proben – die Lernformen sind so vielfältig wie das Studienangebot.

Das durchschnittliche Studium ist mit einer Vollzeitstelle zu vergleichen: Im Schnitt kommen Studierende auf etwa 44 Wochenstunden für Studium und Job. Davon fallen etwa jeweils 18 Wochenstunden auf die „Teilnahme an Lehrveranstaltungen“ und weitere 18 Stunden auf das „Selbststudium“. Etwa acht Stunden wird gejobbt. So sieht der Durchschnitt für jüngere Studenten aus. Mit fortschreitender Semesterzahl wird die Zahl der Lehrveranstaltungen weniger und die Studierenden arbeiten mehr Zeit unter eigener Regie.

Allerdings gibt es erhebliche Ausreißer nach oben, viele Studentinnen und Studenten arbeiten deutlich mehr. Vor Prüfungen wird naturgemäß wesentlich härter gebüffelt und wer Glück hat, kann danach eine kleine Ruhephase einlegen. Doch auch wenn man diese Anstrengungen über das ganze Semester mittelt, sind 44 Prozent der Studenten mehr als 46 Stunden die Woche und 13 Prozent sogar mehr als 60 Stunden in der Woche eingespannt. Die Vorlesungszeiten betragen im Wintersemester etwa 15 und im Sommersemester etwa 14 Wochen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die restlichen Wochen des Jahres Ferien wären: meist werden in der vorlesungsfreien Zeit Praktika, Exkursionen oder Kurse absolviert oder die Zeit wird dringend benötigt, sich auf die nächsten Prüfungen vorzubereiten.

Und abends? Wilde Partys oder dicke Bücher, gemeinsam kochen oder Computerspiele, Bier oder Apfelschorle, Fitness-Studio oder Couch-Potato, Kino oder Theater? Tom sieht den größten Unterschied zu früher darin, dass seine Eltern damals keinen Computer hatten: „Die Zeit, die meine Eltern in der Kneipe saßen, verbringe ich mit Facebook oder Computerspielen.“ Aber ansonsten trifft auch er sich mit Freunden, treibt Sport, geht ins Kino und manchmal sogar ins Badische Staatstheater. Eine wichtige Rolle spielen Studententreffs wie das Z10 oder Hochschul- und Wohnheimpartys. Umso besser, denn wer fest arbeitet, soll auch Feste feiern.