„Wohnen für Hilfe“ machte es möglich.

Eine langjährige Teilnehmerin von „Wohnen für Hilfe“ berichtet im O-Ton von ihren Erlebnissen mit „ihrer“ chinesischen Studentin und gewährt einen offenen Blick hinter die Kulissen einer Wohnpartnerschaft.

„Erstaunlich viele Zacken hat so ein Herrnhuter Stern. Mit meinen alterssteifen Fingern bekam ich das Gebilde nicht montiert. Doch seit meine chinesische Wohnpartnerin Xue mit ihren feingliedrigen Händen Zacken für Zacken kunstvoll zusammengesteckt hat, begleitet der Stern mich Jahr für Jahr durch die Adventsund Weihnachtszeit. Eine bleibende sichtbare Erinnerung an die erste Studentin hier im Haus im Rahmen des Projektes „Wohnen für Hilfe“.

Die 1,55 Meter kleine Chinesin kam vom Studentenwohnheim in Karlsruhe zu mir, um in etwas stillerer Umgebung ihre Masterarbeit zu schreiben. Inzwischen hat sie eine Arbeitsstelle drüben überm Rhein gefunden und die nächste Studentin ist eingezogen.

Für alle Seiten war stets klar, dass die Stundenzahl je Quadratmeter Wohnfläche nicht jeden Monat zu leisten sein wird. Viel wichtiger erscheinen mir die kleinen Handgriffe und Hilfen, z. B. einen klemmenden Verschluss zu öffnen oder bei den automatischen Rollläden die winzigen Ziffern der Jahreszeit anzupassen.

Auch erläuternde Hilfe am PC nehme ich gern hin und wieder in Anspruch. Für Chinesin Xue, deren Namen auszusprechen meine Zunge fast verknotete, war ich mit den grauen Haaren und über 70 noch E-Mails schreibend ein Phänomen; und dann kam raus, dass sie mich permanent mit ihrer Großmutter in China verglich, die nie Lesen und Schreiben gelernt hatte.

Dafür konnte die studierte Enkelin nicht nur ihr eigenes Handy virtuos bedienen, sondern auch mein kleines Gerät einstellen und mir beim SMS-Schreiben, Fotografieren etc. beratend helfen.

Geht es allerdings um Gras zusammenrechen oder Hof fegen da brauchten sowohl chinesische wie deutsche Studierende meine Anleitung, doch dann wird willig die Arbeit ausgeführt.

Nicht zu vergessen die Gespräche über Gott und die Welt, was meist im Flur geschieht.

Die Studentin aus dem Reich der Mitte hatte erst in Europa von Jesus, Gott und Bibel gehört und fragte oft nach, wenn sie etwas nicht verstand. Und dann kam der Clou, der Haus, Hof und Leben für fünf Tage mit fremden Lauten füllte: Die beste Freundin „meiner“ Studentin heiratete. Vater und Mutter dieser Freundin, Hongkong-Chinesen, schliefen hier im Haus, da sie wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht im Hotel wohnen wollten. Auch die Braut selbst nächtigte hier denn für Chinesen ist das Vorbereiten der Braut auf die Hochzeit eine wichtige Familien-Zeremonie.

Die kirchliche Trauung durch einen chinesisch-amerikanischen Pastor in den Räumen der Freien evangelischen Gemeinde Karlsruhe-Neureut konnte ich als Gast erleben. Steif und aufrecht schritt die weißgekleidete Braut am Arm ihres Vaters nach vorn zum Altar, wo der Bräutigam plus zwei Trauzeugen unbewegten Gesichtes warteten. Hinterher lächelten die Frischvermählten zunächst fürs GesamtErinnerungsfoto und dann nacheinander mit allen Teilnehmenden tapfer in die Kamera. Kurz darauf war das westlich-weiße Brautkleid ausgezogen, der Kirchenraum wurde von Gästen und Gemeindemitgliedern für den nächsten Sonntags-Gottesdienst gerichtet; und das junge Paar ging mit den Familienangehörigen und wenigen Freunden in ein Lokal zum Abendessen. Ich durfte als Betten-Gastgeberin dabei sein.

„Wohnen für Hilfe“ machte es möglich.

Die Ziviltrauung fand übrigens lange vorher im chinesischen Konsulat statt, um unnötiges übersetzen der benötigten Papiere zu umgehen. Nach der kirchlichen Trauung zog das junge Paar nach Regensburg der Arbeitsplätze wegen.“